Krankschreibung wegen Frauenthemen

Krankschreibung wegen „Frauenthemen“

Was Frauen alles durchmachen, aber nicht in die Arbeit tragen wollen
Wenn eine Frau immer wieder bei der Arbeit fehlt, aber nicht mitteilt, warum sie krankgeschrieben ist, können die Gründe auch in einer Schwangerschaft, einer Fehlgeburt, einem unerfüllten Kinderwunsch oder dem prämenstruelle Syndrom, kurz PMS, liegen.

Warum das Fehlen aus den genannten Gründen ein wichtiges und zu wenig beachtetes Thema ist, zeigt dieser Artikel. Es geht um körperliche und psychische Belastungen und um die Auswirkungen – bei der betroffenen Frau, aber auch beim Arbeitsumfeld – schließlich fehlt eine Mitarbeiterin.

Das Thema „Krankschreibung ohne Angabe von Gründen“ betrifft jeden, Männer wie Frauen. Der Artikel Ständig krankgeschrieben behandelt das Thema allgemein und geschlechtsneutral. Ich habe mich in dem heutigen Artikel bewusst auf spezielle Frauenthemen fokussiert, wohlwissend, dass es auch bei Frauen noch völlig andere Krankschreibungsgründe gibt.

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Wenn das Babythema zum Drahtseilakt wird

Ab wie viel Zusatzbelastung durch die übernommene Arbeit einer „kranken“ Kollegin hört das Mitgefühl auf? Wann entstehen Argwohn, Unverständnis bis hin zu Unterstellungen gegenüber der ständig fehlenden Kollegin? Und warum fliegt Frau XY nicht auch nur mit Handgepäck, sondern hält die ganze Truppe auf, weil sie schon wieder ihren Koffer als Gepäckstück aufgibt?

Manches verstehen Außenstehende nicht – können sie auch nicht, aber sie können aufhören
darüber zu urteilen.

Einem Arbeitgeber müssen die Gründe einer Krankschreibung nicht mitgeteilt werden. Bei einem Sportunfall, einem Bandscheibenvorfall oder einer heftigen Bronchitis werden sie dennoch meist offen kommuniziert. Das hat Vorteile, weil die Kollegen dann die Situation einschätzen können und im Idealfall auch Empathie und Mitgefühl haben. Das Fehlen ist dann nachvollziehbar.

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Krankgeschrieben – weshalb bleibt geheim

Bei Frauen hat eine Krankschreibung manchmal Gründe, über die sie lieber schweigen, auch wenn die Kollegen und Kolleginnen dann vielleicht mehr Verständnis und Mitgefühl hätten. Der Artikel soll für diese Thematik sensibilisieren, darüber informieren und dafür werben weniger zu (ver)urteilen.

Was bedeutet es, wenn hinter der Krankschreibung einer Frau die Behandlung eines unerfüllten Kinderwunsches, Probleme während der Schwangerschaft, eine Fehlgeburt oder sehr starke Regelschmerzen stecken?

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Situation 1: Unerfüllter Kinderwunsch

Manche Frauen, die sich Kinder wünschen, werden einfach nicht schwanger. Viele nutzen dann die medizinischen Möglichkeiten einer Sterilitätsbehandlung, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen – auch wenn die Erfüllung nicht garantiert werden kann.

Hormonbehandlung und Fehlzeiten bei der Arbeit

Wenn beispielsweise eine außerkörperliche Befruchtung nötig ist, werden die Eizellen hormonell stimuliert, entnommen, außerkörperlich befruchtet und die befruchtete Eizelle wiedereingesetzt.

Diese Methode ist sehr zeitaufwendig, weil viele Kontrolluntersuchungen nötig sind. Sie hängen vom individuellen Reifungsprozess der Eizellen ab und sind nicht vorherbestimmbar. Eventuell fallen alle paar Tage ärztliche Kontrollen an. Auch der Zeitpunkt der Eizellengewinnung und der -einsetzung entscheiden sich kurzfristig.

Hormonbehandlung = viele Arztbesuche, tageweise Krankschreibungen, evtl. sogar für die gesamte Behandlung

Auswirkungen für die Frau

Eine Frau, die sich für diesen Weg entscheidet, nimmt enorme Strapazen auf sich. Dies gilt für den Körper, aber auch für die Psyche. Die erwähnten häufigen Arztbesuche, die mit der Arbeit koordiniert werden müssen – möglicherweise aber nicht erklärt werden wollen – zeigen allein schon die organisatorischen Herausforderungen, die durch so eine intensive Behandlung entstehen. Dass Frau dabei mitunter in sehr unangenehme Situationen kommt, zeigt folgendes Beispiel:

Eine Bekannte von mir flog häufig mit ihrem Chef zu Terminen. Er reiste nur mit Handgepäck. Sie musste jedoch stets ihren Koffer aufgeben, weil die Hormonspritzen nicht im Handgepäck erlaubt waren. Ihr Chef wusste nichts von den Hormonbehandlungen. Die aus seiner Sicht völlig unnötigen, zeitlichen Verzögerungen störten ihn, was er auch zum Ausdruck brachte.

Wer eine Hormonbehandlung vielleicht zwei- oder sogar dreimal durchmacht, weiß, wie unangenehm es ist, sich hier immer wieder rausreden zu müssen.

Wenn Frauen schweigen

Nicht immer ist das Vertrauensverhältnis so, dass man diese intimen Details seinem Arbeitgeber mitteilen möchte. Viele Frauen haben Angst davor:

  • abgeschrieben und nicht mehr ernst genommen zu werden, weil „die ist ja eh bald weg“
  • keine interessanten, verantwortungsvollen Aufgaben mehr übertragen zu bekommen, weil
    „unkalkulierbar und beschränkt einsatzfähig“
  • sich verletzlich zu zeigen, nach dem Motto „schwach, schutzlos, angreifbar“
  • dass es ihnen übel genommen wird, öfter, bzw. bald ganz auszufallen

Unabhängig davon, wie gut das Betriebsklima und das Verhältnis zum Chef sind, will eine Schwangere vielleicht auch einfach dieses Wunder des Lebens erstmal für sich behalten und es nicht mitteilen. Das ist absolut legitim. Niemand kennt die individuellen Beweggründe.

Allein die Tatsache, dass eventuelle Fehlannahmen und -urteile von Außenstehenden in Kauf genommen werden, zeigt, dass eine Frau ihre Gründe hat, wenn sie sich nicht mitteilt. Vielleicht hat sie oder ihr nahestehende Frauen bereits Babys verloren? Vielleicht will sie kein Mitleid und v. a. keine gut gemeinten Ratschläge? Und vielleicht will sie einfach grundsätzlich eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben.

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Situation 2: Schwanger – aber nicht mehr voll einsetzbar

Schwanger sein heißt zwar nicht krank sein, aber Schwangere genießen besonderen Schutz und dürfen nicht mehr zu jeder Zeit und für alle Tätigkeiten eingesetzt werden.

Mit Eintritt der Schwangerschaft kann bereits ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden, wenn ein Risiko für die Mutter oder das Kind durch Aufnahme einer Tätigkeit besteht.

Gründe können sowohl den Arbeitsplatz als auch die Tätigkeit betreffen. Dazu gehören z. B. der Infektionsschutz der Schwangeren, das Arbeiten mit Gefahrenstoffen, Schicht- und Nachtarbeit oder schwere körperliche Arbeiten.

Probleme unter denen Schwangere häufig leiden sind Übelkeit, Kreislaufprobleme und Müdigkeit. Bei manchen Frauen sind die Beeinträchtigungen durch die Schwangerschaft so massiv, dass sie krankgeschrieben werden. Gründe für Krankschreibungen sind oft auch Blutungen, die Schwangere verständlicherweise sehr beunruhigen.

Muss der Arbeitgeber informiert werden?

Es gibt keinen Zeitpunkt bis zu dem man den Arbeitgeber über die bestehende Schwangerschaft informieren muss. Die gesetzliche Empfehlung lautet jedoch, es zu sagen, sobald man es selber weiß. Die Schutzvorschriften greifen auch erst, wenn der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert wurde.

Viele Schwangerschaften enden jedoch vor der 12. Schwangerschaftswoche. Aus diesem Grund erzählen Schwangere selbst in ihrem Familien- und Freundeskreis nur wenigen Personen früher von der Schwangerschaft. Da ist es nur allzu verständlich, wenn Frauen diese Information nicht gleich dem Arbeitgeber mitteilen.

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Situation 3: Fehlgeburten

Viele Schwangerschaften enden sehr schnell wieder. Im frühen Stadium enden sie oft sogar unbemerkt von der betroffenen Frau, in den ersten Monaten oft unbemerkt von Außenstehenden. Bei einem Abgang oder einer Fehlgeburt (= Baby unter 500g, danach spricht man von Totgeburt) ist normalerweise die psychische Belastung höher, als die körperliche, v. a. wenn das Kind von alleine abgeht und keine medizinische Nachbehandlung nötig ist.

Für Frauen, die ihr Kind verlieren, bricht (meistens) erstmal eine Welt zusammen. – Das gilt (meistens) auch für die dazugehörenden Männer. – Eine Krankschreibung von zwei bis vier Wochen ist hier keine Seltenheit, denn die Trauer und Verarbeitung des Erlebten braucht Zeit. Gleichzeitig kann eine Rückkehr in den Alltag auch dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten, so dass die Rückkehr an den Arbeitsplatz auch durchaus positiv sein kann. Die Entscheidung, wie lange eine Frau krankgeschrieben wird, wird ganz individuell getroffen.

Ein Kind verloren – was nun?

Manche Frauen haben viele Fehlgeburten. Je älter eine Frau schwanger wird, desto wahrscheinlicher sind Abgänge. Nicht selten kommt es deshalb zu Situationen wie folgender:

Eine Frau um die 40 freut sich schwanger zu sein, erzählt aber erstmal nichts davon bei der Arbeit. Eventuelle Begleiterscheinungen „erträgt“ sie schweigend und macht ihren Job ohne Einschränkungen weiter. Sie verliert ihr Baby. Eine Ausschabung ist nötig. Sie bekommt eine Krankschreibung und fällt bei der Arbeit aus.

Erzählt sie jetzt bei der Arbeit von dem verlorenen Baby? Will sie über das Erlebte reden oder schweigen? Will sie Mitgefühl, Anteilnahme, Verständnis oder hat sie Angst vor Mitleid, betretenem Schweigen, ausweichenden Blicken oder ungeschickten Kommentaren?

Zu schweigen ist auch belastend

Ich kenne eine Frau, die hat sich für das Schweigen entschieden. Niemand bei ihrer Arbeit wusste, dass sie versuchte schwanger zu werden, dann schwanger war und das Kind verloren hat. Sie hatte monatelang Bauchschmerzen nach der Ausschabung, abgesehen von der Trauer und der psychischen Belastung. Ihre mehrfachen Krankschreibungen fielen auf, sicher nicht positiv, aber sie hat sie nicht erklärt.

Sie hat mir von ihrem inneren Ringen um die Entscheidung, zu schweigen, erzählt. Sie ging davon aus, dass sich ihr Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft freuen würde – akuter Personalmangel halt. Oft hat sie sich zusammengerissen, sich nichts davon anmerken lassen, dass es ihr nicht gut ging. Immer wieder ist sie zur Arbeit gegangen, um ihren Kollegen nicht hängen zu lassen.

Man hat ihr sogar mehrfach gesagt, sie solle jetzt ja nicht auch noch schwanger werden.

Sie beschäftigt nicht nur das Babythema, sondern auch ihr schlechtes Gewissen der Arbeit gegenüber. Und auch dies belastet sie: zu merken, dass andere sich fragen, warum sie immer „krank“ ist, warum ein Gynäkologe die Krankschreibung ausgefüllt hat und das Gefühl zu haben, dass andere irgendwie spüren, was los ist.

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Situation 4: Krankgeschrieben wegen PMS

Der Vollständigkeit halber sollen auch die möglichen Begleiterscheinungen der monatlichen Periode erwähnt werden. Manche Frauen leiden so massiv unter dem prämenstruellen Syndrom (PMS), dass sie tatsächlich zwei bis vier Tage im Monat nicht arbeiten können. Hier geht es meist um Schmerzen und Migräne.

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Fazit

Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass private Themen die eigene Arbeit beeinträchtigen. Auch Arzttermine können nicht immer außerhalb der Arbeitszeit gelegt werden. Wenn Frauen oder Männer bei der Arbeit krankgeschrieben fehlen, aber nicht erklären, warum, sollte das jeder respektieren.

Der Artikel soll keine Spekulationen über geheime Kinderwünsche der Kolleginnen lostreten, sondern die hier beschriebenen Frauenthemen sollen zeigen, dass selbst häufige Krankschreibungen erstmal nichts mit Blaumachen, schwachen Nerven, Anstellerei und Schwäche zu tun haben, sondern jemand zu dem Zeitpunkt nicht arbeiten kann; Punkt; möglicherweise aus einem der hier beschriebenen Gründe.

Man kann nicht sagen, dass es besser ist dem Arbeitgeber oder den Kolleginnen und Kollegen zu erzählen, wenn man z. B. von der ein oder anderen hier beschriebenen Situation betroffen ist. Im Idealfall wird Verständnis und Anteilnahme gezeigt und sogar Rücksicht genommen. Die Mitteilung kann aber auch, zumindest auf der emotionalen Ebene, negative Auswirkungen haben und wer will die schon? Offenheit beseitigt nicht zwangsläufig Unverständnis und Unterstellungen.

Die massiven, v. a. psychischen Belastungen dieser Frauenthemen darf niemand unterschätzen. Wer sich hier mehr Einblicke wünscht, dem empfehle ich den Bericht über das Ende einer Eileiterschwangerschaft. Die Geburt und der Tod gehören zum Leben dazu und Arbeit ist ein Teil des Lebens. So wird die Arbeit in der ein oder anderen Form immer auch von diesen Themen berührt werden, aber das ist menschlich. Eine menschliche Stärke ist damit behutsam und respektvoll umzugehen und aufs (Ver)Urteilen zu verzichten. Das sollte jeder versuchen. Ich wünsche jeder Frau, dass sie gerade im Hinblick auf das Kinderkriegen ihre eigenen Bedürfnisse über die ihres Arbeitgebers stellt.

Über die medizinischen Details habe ich mich ausgetauscht mit Frauenärztin Dr. Friederike v. Bismarck, Gynäkologin in Hamburg.